Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das derzeitige Verhalten der Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft der Länder ist ein Schlag ins Gesicht für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder. Bereits die erste Verhandlungsrunde am 26. Oktober verlief ohne Angebot an die Gewerkschaften. Das war unglücklicherweise zu erwarten. Für Arbeitgeber scheinen Tarifverhandlungen und Entgeltrunden eher ein Ritual zu sein, für die Beschäftigten ist es aber bitterer Ernst. Auch in der zweiten Verhandlungsrunde am 2. und 3. November wurde außer einer Ablehnung der Forderungen der Gewerkschaften keine Aussage zu einer geplanten Anpassung getätigt. Es wurde lediglich das alte Mantra von der Nichtfinanzierbarkeit vorgetragen. Ein Aufholen gegenüber anderen (öffentlichen) Arbeitgebern, bzw. ein dem TVöD vergleichbarer Abschluss, sei sowieso ausgeschlossen.

Aber wie soll denn ein öffentlicher Dienst funktionsfähig bleiben, wenn er kein Personal findet?

Schon längst hinken die Einkommen der Beschäftigten der Länder denen des Bundes und der freien Wirtschaft hinterher. Und damit wird es auch nicht einfacher, neue und motivierte Beschäftigte zu gewinnen. In der Berliner Steuerverwaltung führt das schon so weit, dass Ergebnisse der Personalbedarfsberechnung (PersBB) gar nicht mehr vollständig für die Anmeldung von Stellen zum Haushalt herangezogen werden, da diese ohnehin nicht besetzt werden können und das Geld dann im Haushalt des Landes Berlin an anderer Stelle „besser“ verwendet werden kann. In Zeiten eines vermeintlichen Personalüberbestandes war die PersBB noch das Maß aller Dinge. Heute ist sie nur noch eine Orientierungsgröße für die Verwaltung des Personalmangels.

Und welche Zukunft bietet eigentlich der öffentliche Dienst noch? Gerade die Finanzverwaltungen der Länder haben im vergangenen Jahr verstärkt auf die Einstellung von Tarifbeschäftigten zur Bewältigung der Grundsteuerreform gesetzt. Und wir wollen diese Kolleginnen und Kollegen in den Finanzämtern halten. Aber wie? Mit Nullrunden? Mit minimalen Gehaltssteigerungen, die noch nicht einmal die Inflation abdecken? Geschweige denn die Kostensteigerungen seit der letzten Tarifrunde 2021 ausgleichen. Gerade die Waren des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel und Energie haben eine überproportionale Teuerungsrate. Öffentliche Dienstleistungen, dazu gehören neben der Steuerverwaltung eben auch der Personennahverkehr, die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die öffentliche Sicherheit und bürgernahe Dienstleistungen der Bezirks- und Bürgerämter, sind nun einmal Leistungen, die von Menschen erbracht werden. Und diese Menschen, unsere Kolleginnen und Kollegen, haben es verdient, anständig behandelt und bezahlt zu werden.

Mit der aktuellen Haltung der Arbeitgeberseite in diesem Tarifkonflikt wird die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes nicht gestärkt und das Vertrauen der Bürger in einen handlungsfähigen Staat wird weiter zurückgehen.

Jetzt muss deutlich gemacht werden: ohne uns geht es nicht. Ohne uns ist kein Staat zu machen. Jetzt sind alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, Tarifbeschäftigte, Beamte und Beamtinnen und auch Versorgungsempfänger und -empfängerinnen, gefragt. Jetzt muss der Druck erhöht werden, damit in der nächsten Verhandlungsrunde Anfang Dezember die Arbeitgebern erkennen, wie eine öffentliche Verwaltung ohne Beschäftigte aussähe.

Liebe Grüße

Oliver Thiess