Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als Deutsche Steuer-Gewerkschaft ist es unsere Hauptaufgabe, dass wir uns für die Belange der Beschäftigten der Steuerverwaltung sowie ein handhabbares und gerechtes Steuerrecht einsetzen. Aber als Gewerkschaft haben wir auch gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Gemeinsam mit unserer Spitzenorganisation, dem dbb berlin, setzen wir uns für die Gleichstellung von Frauen ein, kämpfen für die Rechte von Menschen mit Behinderung sowie gegen Trans- und Homophobie. Besorgniserregend ist, dass derzeit rechte und rechtsextreme Gruppen und Parteien in Deutschland sowie in Europa immer mehr Zuspruch und Unterstützung finden. Zuvorderst eint sie alle ein zutiefst rassistisches Weltbild. Aber dieser Rassismus hat nicht bei ihnen angefangen. Er stammt vom „gewöhnlichen Bürger“ auf der Straße. Er ist aus dem Alltag der Menschen in politische Programmatik gewachsen. Daher ist es auch notwendig, diesem Alltagsrassismus entgegenzutreten. Und auch unser eigenes Denken und Handeln zu hinterfragen. Wenn das Gegenüber beispielsweise eine Frage oder eine Aussage als rassistisch empfindet, muss die fragende Person dies akzeptieren und die Frage oder die Aussage unterlassen. Die Deutungshoheit liegt beim Gegenüber. Es beginnt bei vielleicht als harmlos und nicht böse gemeinten Dingen. Wie beispielsweise die Frage nach der „wirklichen“ Herkunft. Vielleicht ist sie gar nicht vordringlich böse gemeint, deutet aber ein „Du bist nicht von hier, du bist anders als „wir“.“ an. Sie würdigt die gegenüberstehende Person herab. Es geht aber auch um offen auf der Straße ausgedrückten Rassismus wie die Zuschreibung negativer Eigenschaften und Verhaltensweisen ganzer Ethnien sowie Personengruppen (auf Beispiele verzichte ich an dieser Stelle). Auch Probleme bei der Suche einer Wohnung, bei der Bewertung der Arbeitsleistung und dem ganz alltäglichen abweisenden Verhalten sind Zeichen von Alltagsrassismus. An dieser Stelle muss sich die Gesellschaft und jedes Individuum in ihr mit dem Problem Rassismus auseinandersetzen. Auf der Welt gibt es gute und böse Menschen, fleißige und faule, starke und schwache. Aber nichts davon lässt sich an der Hautfarbe, der Sprache oder der religiösen Zugehörigkeit festmachen. Tatsächlich handelt es sich sogar um das Produkt einer stereotypen Zuordnung. Aber damit wird vielen Menschen in Deutschland Unrecht getan. Für eine Gesellschaft, die sich für ach so aufgeklärt und zivilisiert hält, ist das Beibehalten rassistischer Vorurteile eher das Spiegelbild einer längst für untergegangen gedachten Zeit.

Wir alle sollten unser Handeln regelmäßig danach überprüfen, ob wir unserem Gegenüber dabei nicht Unrecht tun oder wie eine Äußerung oder Handlung unseres Gegenübers auf uns wirkt. Wir dürfen vor Rassismus nicht die Augen verschließen, sondern aufstehen und den Mut haben, zu widersprechen. Denn mögen es häufig noch Worte sein, die die Seele verletzen, können sich diese auch schnell in körperlicher Gewalt manifestieren. Auch das mussten wir in jüngster Zeit erleben.

Als Landesvorsitzender der DSTG Berlin verurteile ich jegliche rassistische Äußerung und jegliches herabwürdigende Verhalten. Gegenüber Kolleginnen und Kollegen, gegenüber allen Menschen.

Liebe Grüße

Oliver Thiess