Am 16. Mai 2022 fand im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages die Anhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung (AO) und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ statt. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft (DSTG) war
als Fachgewerkschaft der Finanzverwaltung zur Anhörung eingeladen und wurde durch ihren damaligen Bundesvorsitzenden Thomas Eigenthaler vertreten.
Konkret gingt es um die Berücksichtigung des Zinsbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus Juli 2021, nachdem 6 % Zinsen auf Nachzahlungen und Erstattungen als zu hoch angesehen wurde. Das Gericht hat dem Gesetzgeber bis zum 31. Juli 2022 vorgegeben die AO entsprechend zu ändern. Angesichts des Zeitdrucks hält die DSTG es für richtig, den Fokus zunächst nur auf die Modifizierung der Verzinsung nach § 233a AO zu legen, da
dies auch der einzige Regelungsfall der BVerfG-Entscheidung war. Auch wenn das BVerfG weitere Zinstypen nicht angesprochen hat, empfiehlt die DSTG eine intensive Prüfung der Zinshöhen – auch außerhalb von
Nachzahlungs- und Erstattungszinsen – nicht auf die lange Bank zu schieben. Denn sollten Steuerpflichtige entsprechende Urteile erstreiten, ist mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand zu rechen. Allein hinsichtlich der Verzinsung nach § 233a AO sind über 8 Mio. Zinsbescheide zu ändern. Die DSTG hält das geplante Vorgehen, auch weiterhin mit einem festen Zinssatz zu operieren, für die richtige Lösung.
Einen flexiblen, sich möglicherweise ständig ändernden Zinssatz zu verwenden, hält die DSTG für keine praxistaugliche Lösung. Zwar kann man argumentieren, es handle sich ja nur um Zahlen. Trotzdem wird die Sache deutlich bürokratischer. Ständig müssen neue Zinssätze festgelegt und veröffentlicht werden. Rechtsanwender – sowohl in der Verwaltungspraxis wie auch in der Beratungspraxis – täten sich bei Berechnungen erheblich schwerer. Vor allem für unberatene Steuerzahler wären Zinsberechnungen mit ständig wechselnden und „krummen“
Zinssätzen nicht mehr nachvollziehbar. Der Weg, mit einem vertretbaren, aber nachvollziehbaren Zinsfuß zu arbeiten, ist der deutlich bessere Weg. Die DSTG ist zudem der Meinung, dass es Aufgabe des Gesetzgebers ist, einen Zinssatz
festzulegen und nicht im Sinne einer Verweisung auf ökonomische Daten Dritter zu operieren.
Die DSTG spricht sich auch klar gegen eine (vorübergehende) Abschaffung der Vollverzinsung aus. Aufgrund ökonomischer Daten ist ohnehin ein Zinsanstieg zu erwarten. Die Regelung jetzt – mit Blick auf die Vergangenheit – abzuschaffen, müsste alsbald zu einer Diskussion über eine Wiedereinführung nach einem Zinsanstieg führen. Die DSTG will zudem nicht, dass Steuerzahler, bei denen es aufgrund von unvollständigen oder unrichtigen Steuererklärungen – ohne dass ein strafbares Verhalten nachweisbar wäre – von einer Nullverzinsung profitieren.
Die DSTG hält den geplanten neuen Zinssatz in § 238 Abs. 1 a AO n. F. in Höhe von 0,15 % pro Zinsmonat (1,8 % pro Jahr) für angemessen. Er stellt angesichts des bisherigen Niedrigzinsniveaus einen vernünftigen Prozentsatz dar.
Wie lange dieser Zinssatz angesichts eines erwartbaren Zinsanstiegs am Kapitalmarkt trägt, muss man sehen. Daher begrüßt die DSTG die gesetzliche Normierung einer regelmäßigen Evaluation in § 238 Abs. 1 c AO n. F. Es ist dann souveräne Aufgabe des Gesetzgebers, ggf. eine neue Zinssatz-Entscheidung zu treffen. Ausdrücklich begrüßt die DSTG auch die gesetzliche Regelung der sogenannten „freiwilligen Zahlungen“ in § 233 a Abs. 8 AO n. F. Dies wurde in all den zurückliegenden Jahren immer kunstvoll im Verwaltungsvorschriftenweg erledigt. Richtig ist jedoch, dass der parlamentarische Gesetzgeber jetzt eine verbindliche Regelung trifft. Aus Billigkeitsrecht wird ein Anspruchsrecht. Dabei ist noch zu prüfen, ob es des sprachlichen Dualismus „nicht festzusetzen oder zu erlassen“ in der geplanten
Regelung überhaupt braucht oder ob man diese auf ein bloßes „nicht festzusetzen“ beschränken könnte
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